Essen ist so viel mehr als reine Nahrungsaufnahme. Jedenfalls bei uns hier in der Wohlstandsgesellschaft. Was wir kochen, sagt eine Menge über unsere Lebenseinstellung und über unsere Werte aus. Die Esskultur wird beeinflusst vom Klima, von wirtschaftlichen, technischen, soziologischen und politischen Faktoren. Im „Food Report“, der jährlich vom Zukunftsinstitut, der Lebensmittel Zeitung und der dfv Mediengruppe herausgegeben wird, stellt Trendforscherin Hanni Rützer die neuesten Entwicklungen im Bereich Ernährung vor. Und das tut sie bereits seit 25 Jahren.
Die Trends für dieses Jahr: flexibel, bewusst und ethisch korrekt. Unter diesen Stichworten kann man die wichtigsten Erkenntnisse zusammenfassen. Wir essen nicht nur bewusst – sondern wir verzichten auch sehr viel bewusster.
Gesundes Essen steht weiterhin hoch im Kurs. Das gilt 2020 zunehmend auch für Fast Food. Überhaupt wandeln sich die Essgewohnheiten gewaltig. Es gibt nicht mehr klassisch das Frühstück, Mittag- und Abendessen. Und schon gar kein 3-Gänge-Menü mehr. Das Leben hat sich verändert. Wir leben und arbeiten sehr viel flexibler und das spiegelt sich auch in unseren Mahlzeiten wider.
SNACKIFICATION ist eines der neuen Zauberworte. Das sind kleine Mahlzeiten, die flexibel eingenommen werden. Man holt sich schnell mal was vom Food Truck oder im Supermarkt. Dabei wird aber besonderen Wert auf Qualität und Frische gelegt. Vielleicht ist dieser Trend auch der Tatsache geschuldet, dass die Zahl der Einpersonenhaushalte stetig steigt und dass das Kochen für einen alleine nicht ganz so viel Spaß macht. Essen tut man dagegen eher selten alleine – denn alles wird direkt auf Instagram und Co. gepostet und in den sozialen Medien kommuniziert.
Mit URBAN FOOD kehrt die Landwirtschaft in die Stadt zurück. Angesichts des Klimawandels legen wir deutlich mehr Wert auf regionale und saisonale Zutaten. Die Produktion, Verarbeitung und der Konsum rücken näher zusammen. Das gelingt durch neue und innovative Technologien sogar in der Stadt.
Die Nachfrage nach Lebensmitteln direkt vom Erzeuger steigt. Es werden Plattformen und Möglichkeiten geschaffen, um Bauern und Endverbraucher zusammenzubringen. Zusätzlich steigt auch die Lust am Eigenanbau.
BEYOND PLASTIK und ZERO WASTE beschreibt den Trend, alternative Lösungen für Kunststoffverpackungen zu finden und dem Wunsch dem weltweiten Müll- und Verpackungsproblem zu Leibe zu rücken. Das ist wohl eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Zum Glück legen die meisten Menschen aber großen Wert auf nachhaltiges Einkaufen. Es wird außerdem nach Wegen gesucht, um möglichst wenig zu verbrauchen und zu verschwenden. Man achtet darauf, dass das gesamte Produkt vom Stängel über Blätter und Blüten verzehrt wird. Oder auch Gemüse und Obst, was optisch nicht ganz dem Ideal entspricht.
Hanni Rützer ist allerdings davon überzeugt, dass der Weg in die Post-Plastic- und Zero-Waste-Ära noch lang sein wird.
BEYOND FOOD ist weiter im Fokus. Wir sind zwar noch weit von einer veganen Leitkultur entfernt, aber immer mehr Menschen schränken ihren Fleischkonsum ein und suchen nach Alternativen. Die Zahl der sogenannten Flexitarier steigt weiter an. Das sind Menschen, die zwar nicht auf Fleisch verzichten, aber nicht immer und nicht jedes Fleisch verzehren. Da gibt es z. B. das Blended Burger Projekt, bei dem klassischen Burger Pattys mindestens 25 % pflanzliche Lebensmittel beigemischt werden. Auch auf diese Weise wird der Fleischkonsum immer weiter reduziert.
Insgesamt sollen mehr TIERISCHE ERSATZPRODUKTE auf den Markt kommen. Der vegane Beyond Meat Burger hat schon im letzten Jahr einen echten Hype ausgelöst und der bleibt auch weiterhin bestehen. Dazu nehmen auch vegane Milch-Ersatzprodukte aus Hafer, Reis, Mandeln, Kokos und Nüssen weiter zu. Die Jackfrucht bleibt auf dem Vormarsch und wird als perfekter Fleischersatz bezeichnet. Neben Soja stehen außerdem Zutaten wie Hanf, Mungobohnen, Avocado, Erbsen, Wassermelonenkerne und vieles mehr auf dem Speiseplan. Und auch auf dem Brot wird es exotischer mit Butter aus Kichererbsen, Wassermelonenkernen oder Macadamianüssen.
Auch ZUCKER- UND MEHL-ALTERNATIVEN sind gefragt. Süßungsmittel wie Ahornsirup, Honig, Stevia und Xylit bekommen Konkurrenz von Fruchtsirupen aus Granatapfel, Kokosnuss und Mönchsfrucht. Bei den Mehlen gibt es schon einige glutenfreie Produkte, aber das Sortiment wird immer größer. Kokosmehl, Teffmehl und sogar Bananenmehl und Blumenkohlmehl werden wir künftig häufiger finden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass auch Low Carb ein großes Thema bleibt.
Im Zuge der Selbstoptimierung halten auch NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL Einzug in unsere Küchen. Besonders der Markt um Cannabidiol (kurz CBD) wächst rasant an. Es soll beruhigend und entzündungshemmend wirken – ist aber in Deutschland noch nicht als Lebensmittel zugelassen. Trotzdem gibt es schon zahlreiche Anbieter von Honig, Tee und Öl mit CBD, was offiziell als Kosmetik angeboten wird. Es gibt immer mehr sogenannte funktionale Lebensmittel wie Vitamincocktails mit pflanzlichen Extrakten und Vitaminpillen, die mehr Energie oder bessere Haut versprechen.
Gesunde Ernährung als Trend – klar, dass damit auch ALKOHOLFREIE SPIRITUOSEN immer beliebter werden. Und sie sollen ihren alkoholischen Varianten in nichts nachstehen. So kommt man 2020 auch ohne fiesen Kater auf seine Kosten. Besonders erfolgreich ist alkoholfreier Gin. Wir werden also immer mehr Mocktails auf der Barkarte finden. Ebenso wie Cocktails auf Kaffeebasis. Auch CBD wird uns hier begegnen.
Und wer es ein bisschen experimenteller mag, der kann sich auf FOOD PAIRING freuen. Das sind ungewöhnliche Kombinationen von Lebensmitteln und Aromen, die wir bisher so noch nicht kennen. Erdbeeren und Basilikum hat man ja schon mal gehört. Genauso wie vielleicht Melone und Feta. Aber da kommt jetzt so was wie Banane und Petersilie oder Nektarine und Rosmarin und Ananas und Blauschimmelkäse dazu.
Es bleibt also auch 2020 spannend und lecker – und vor allen Dingen gesund und nachhaltig.
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