Kolumne von Pilar Hammerl |
#Selflove, #happiest #metime, #yogawithaview, #veganfoodlove …
Zurecht werden sich jetzt einige fragen: Was soll das? Dabei lesen wir diese Aneinanderreihung von Hashtags doch gefühlt jeden Tag. Sie zieren in etwa die Hälfte der 80 Millionen Fotos, die täglich auf Instagram hochgeladen werden. Besonders gut machen sie sich unter dem fünfhundertsten Selfie, der Acai-Bowl im hippen Deli nebenan oder den neuen knalligen Yogapants – nicht zu vergessen: unter Bildern mit Rückenansicht. Bitte aber beim Wandern, Klettern oder an einem anderen abgefahrenen Ort, an dem möglichst wenig Zivilisation herrscht. Denn es geht „Back-to-the-roots“.
Wer mich kennt weiß, auch ich habe derartige Bilder in meinem „sehr erfolgreichen“ Instagram-Profil. Meine sage und schreibe 176 Follower, dürfen sich etwa alle acht Monate über ein neues Foto von mir freuen. Zuletzt: Die neue Yogapants. Was soll ich sagen … Ich schätze, an gewissen Trends führt einfach kein Weg vorbei. Mitgehangen, mitgefangen.
Denn wir leben in einer Welt, in der viele Menschen mehr Wert auf ihren Online-Auftritt legen, als auf ihre Persönlichkeit. Wir sind jeden Tag einer Flut an Informationen und Auswahlmöglichkeiten ausgesetzt. Ob es der Gang zum Supermarkt ist, bei dem wir uns zwischen 50 verschiedenen Joghurtsorten entscheiden können, der stündliche Blick auf das Smartphone, der uns sofort zum Handeln zwingt, wenn das Display aufleuchtet oder auch die Auswahl an Beziehungspartnern, ich sage nur Tinder und wie der Rest noch heißen mag. Wir sind mit permanenter Ablenkung und Vielfalt konfrontiert.
Können wir überhaupt noch zwischen dringend und wichtig unterscheiden? Haben wir die wesentlichen Themen des Lebens aus den Augen verloren? Wie in etwa: Echte Freundschaften, die durch dick und dünn gehen. Ausreichend Zeit mit der Familie. Beziehungen, die auch mal Krisen überstehen oder auch der Job, der meiner Meinung nach zu viel Zeit in unserem Leben beansprucht, um ihn einfach „nur“ hinzunehmen und zu ertragen – als Mittel zum Zweck.
Ein Hoch auf die „Happy-Bewegung“
Denn um was geht es wirklich? Abgesehen von den offensichtlichen Grundbedürfnissen der Menschen, geht es doch um Glück. Wer will nicht einfach glücklich sein?
Ich wette diese Erkenntnis ist ebenso wenig DIE Neuigkeit des Jahrhunderts, wie der Absatz über unsere heutige Gesellschaft. Denn die „Happy-Bewegung“, wie ich sie gerne nenne, ist in vollem Gange und vor allem in aller Munde.
Das Prinzip dabei ist eigentlich simple, denn es geht in erster Linie um die Fragen: Was will ich vom Leben? Was macht mich wirklich, wirklich glücklich? Und wie bekomme ich es? Ratgeber dazu sprießen förmlich wie Pilze aus dem Boden. Ein munteres Potpourri aus Podcasts, Büchern und Blogs, die einem eine Vielzahl an Denkanstößen und Handlungsempfehlungen servieren. Obendrauf gibt es die Einstellung: „Geht nicht, gibt’s nicht“ kostenlos dazu. Ich liebe dieses Motto.
Doch aller Anfang ist schwer, scheitern doch viele bereits bei der Frage: Was macht mich wirklich, wirklich glücklich?
Um das herauszufinden, empfehlen die Ratgeber sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen, auf sich selbst. Gar nicht so einfach bei all der Ablenkung und all den Glaubensmustern, die wir im Laufe der Zeit selbstverständlich übernommen haben, ohne sie je zu hinterfragen. „Das macht man nun mal so.“ Sagt wer?
Hätten Aristoteles, Mahadma Gandhi, Albert Einstein oder Martin Luther King – nur um mal einige der ganz Großen zu nennen – einfach hingenommen, was andere felsenfest behaupteten, wäre unsere Welt mit Sicherheit eine andere.
Wir selbst geben den Dingen ihre Bedeutung
Was tut also die kluge Frau von heute, um das heraus zu finden? Um „sich selbst zu finden“? #yogawithaview, #meditation, #socialdetox, #metime, #selflove … Womit wir wieder bei ähnlichen Hashtags, wie am Anfang des Textes angelangt wären. Nur an dieser Stelle würde ich gerne noch einen ergänzen: #Selbstoptimierungsstress. Zugegeben, zu diesem Hashtag existieren bis dato ganze null Bilder auf Instagram. Der Andrang hält sich also in Grenzen, aber dafür ergab meine Recherche folgende Schlagwörter, die stattdessen immer häufiger verwendet werden: #Selbstoptimierungswahn, #Selbstoptimierungsucks.
Harte Worte, denn ich würde das Vorhaben, sich wieder mehr auf die eigene Persönlichkeit zu konzentrieren, keinesfalls als eine negative Sache abstempeln. Im Gegenteil: ich befürworte derartiges Bestreben. Aber die Schlagwörter bestätigen, was mir zunehmend auffällt: Frauen (und Männer), die gar nicht mehr zur Ruhe kommen, seit sie beschlossen haben „sich selbst zu finden“. Sie besuchen Seminare, machen Online-Kurse, lesen Bücher, rennen zum Yoga und versuchen abends vor dem Schlafengehen krampfhaft zu meditieren. Hinterher ärgern sie sich darüber, dass die erhoffte meditative Ruhe ausbleibt. So gehen sie ins Bett. Mit einer Liste an ToDos und einem inneren Dialog an Selbstzweifel und schlechtem Gewissen, weil sie sich eigentlich mehr vorgenommen hatten.
Versteht mich nicht falsch, ich plädiere hier keinesfalls dafür, seinen inneren Schweinehund gewinnen zu lassen und stets in seiner Komfortzone zu verweilen, aber darf das Ganze nicht auch Spaß machen? Denn wenn ich etwas gelernt habe, dann die Tatsache, dass alles möglich ist, sobald man aus eigenem Antrieb heraus handelt. Fragt euch also vor eurem nächsten Vorhaben, für was oder wen ihr das macht? Für 50 neue Likes auf Instagram? Weil es jeder macht? Oder für euch selbst?
Immerhin sind wir es, die den Dingen ihre Bedeutung geben.
Magazinbeitrag:
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