Interview mit Sabine von MARI&ANNE
Was sich hinter Naturkosmetik mit den Namen MORGENMUFFEL, KUSSECHT und SAHNESCHNITTE verbirgt? Ein festes Deo, ein Lippenbalsam und eine Sheabutter – hergestellt zu 100 % aus natürlichen Zutaten. Die Rezepturen für die Hautpflegeprodukte stammen von Marianne Lewandowski. Zusammen mit ihrer Tochter Sabine hat sie die Naturkosmetikmarke MARI&ANNE gegründet. Gemeinsam mit ihrem Team möchten die beiden viel bewegen: ein Umdenken in der Kosmetik, aber auch in der Arbeitswelt. Deshalb arbeiten sie mit Werkstätten der Lebenshilfe-Vereine zusammen. Die Menschen mit Behinderung dort unterstützen unter anderem beim Produzieren und Verpacken der Naturkosmetik.
Liebe Sabine, wie kam Deine Mutter dazu, Salben und Seifen auf Naturbasis herzustellen? Und wie entstand die Idee, daraus ein Business zu machen?
Marianne hat vor circa 13 Jahren angefangen, sich mit Naturkosmetik zu beschäftigen. Bei mir wurde damals eine periorale Dermatitis festgestellt. Die Hauterkrankung – bei mir im Gesicht – entsteht unter anderem durch das Überpflegen der Haut. Vor 13 Jahren habe ich mich gar nicht mit den Inhalten von Kosmetika auseinandergesetzt. Meine Mutter, eine gelernte Krankenschwester, dafür umso mehr. So hat sie in ihrer Seifenküche eigene Produkte entwickelt und erste Salben und Seifen hergestellt. Mit ihren Pflegeprodukten war Marianne immer wieder auf kleinen Märkten in und um Franken unterwegs. Durch die Hautprobleme der Menschen, die sie dort getroffen hat, konnte sie immer mehr lernen und ihre Rezepturen weiterentwickeln.
Die Idee zu einem professionellen Business entstand dann abends bei einem Glas Wein an unserem Küchentisch. Ich war zu der Zeit noch mit meinem Designstudium in Bremen beschäftigt. Gemeinsam mit einer Freundin hatten wir beschlossen, mit neuem Konzept und Design Mariannes Naturkosmetik über Frankens Märkte hinaus anzubieten.
Anfangseuphorie auf der einen, Zweifel auf der anderen Seite. Viele Gründer quält ab und an die Unsicherheit. Wird mein Produkt auf dem Markt bestehen? Gibt’s nicht schon zu viele Anbieter? … Auch die Naturkosmetikregale in den Drogerien sind schon gut gefüllt. Warum habt Ihr Euch trotzdem auf den Markt getraut?
Ja, das stimmt. Es gibt mittlerweile sehr viel auf dem Markt und gerade im letzten Dreivierteljahr machen sich auch die großen Firmen mit nachhaltigen Produkten wie festen Deos oder Shampoos bemerkbar. Es findet ein Umdenken statt … Wir hatten da natürlich auch immer wieder Zweifel. Das ist völlig normal und gesund, denke ich. Aber wir haben uns damals getraut und im Machen schon in den ersten Monaten festgestellt, dass wir ein Nischenprodukt sind.
Wir haben MARI&ANNE vor allem auf folgende Werte aufgebaut: Natürliche Rohstoffe ohne Konservierungsmittel und die Nutzung von Traubenkernöl aus Franken. Produkte, die unisex sind. Und vor allem auf den Aufbau der Zusammenarbeit mit den Werkstätten der Lebenshilfe. Uns war von Anfang an wichtig, unterschiedliche Werkstätten mit einzubinden und gemeinsam mit ihnen neue Wege zu gehen. Mittlerweile arbeiten wir mit drei unterschiedlichen Werkstätten in Mainfranken zusammen. Das Herz ist definitiv unsere Produktion, die Marianne seit März direkt in die Werkstätten verlegt hat und vor Ort ehrenamtlich leitet. Dort produzieren wir alle unsere Rezepturen selbst – in Handarbeit.
Am Anfang eines Start-ups steht also eine gute Idee. Ein besonderes Produkt wie bei Euch, oder ein einzigartiger Service … Was braucht es noch, um ein Start-up an den Start zu bringen?
Viele Start-ups glauben, sie haben es in Großstädten wie Hamburg, München oder Berlin leichter. Rückblickend würde ich sagen für uns war und ist der Standort unwesentlich. Wir haben ihn einfach dort angesetzt wo Marianne zu Hause ist. Mir war es wichtig, ein Label zu gründen, das bodenständig ist, seinen Wurzeln treu bleibt und trotzdem in den Großstädten zu finden ist.
Kapital ist zum Start natürlich auch ein großes Thema. Marianne und ich haben eigenes Geld investiert. Wir zahlen uns kaum Gehalt und machen von A bis Z alles selbst. In Teilen bekommen wir ehrenamtliche Unterstützung von tollen Menschen, die uns von Anfang an zur Seite stehen. Die ganze Familie packt mit an, damit wir langfristig etwas aufbauen können.
Was waren die größten Hürden, die Ihr überspringen musstet, um durchstarten zu können?
Hürden gibt es immer wieder. Die Gesetze und Bestimmungen in Deutschland machen es einem in vielen grundlegenden Dingen nicht leicht. Wir haben das erste Mal gegründet und vieles erst beim Machen gelernt. Das beginnt mit Verträgen, Bürokratie und passenden Lieferanten und hört mit Themen wie Onlineshop, Marketing und Budgets noch lange nicht auf.
Mit die größte Hürde war wohl, den richtigen Weg für uns einzuschlagen, uns treu zu bleiben und einfach unsere Geschichte zu erzählen. Wir mussten uns selbst erst einmal in der neuen Rolle finden und lernen, einfach das, was uns ausmacht, auch nach außen zu kommunizieren.
Wie habt ihr es geschafft, MARI&ANNE bekannt zu machen und Eure Produkte zu verkaufen?
Gefühlt stehen wir noch am Anfang und empfinden uns noch gar nicht als so bekannt. Wir haben mit unserem Onlineshop und mit Social Media begonnen und freuen uns immer wieder, wenn uns neue Menschen entdecken und zum Beispiel unserem Account auf Instagram folgen. Am Anfang habe ich sehr viel Zeit in Instagram investiert und damit unseren Weg gefunden, unsere Geschichte zu kommunizieren. Wir sind weiter dabei, ein Netzwerk von wunderbaren Menschen aufzubauen, die unsere Geschichte und Produkte weitertragen und uns dabei unterstützen bekannter zu werden.
Habt Ihr – rückblickend gesehen – Fehler gemacht, aus denen Ihr gelernt habt und die andere Start-up-Gründer unbedingt vermeiden sollten?
Fehler sind hart, weil sie Energie und manchmal auch Geld kosten. Aber Marianne und ich haben dadurch einiges gelernt. Ich denke, jedes Start-up hat seine ganz eigene Geschichte und sollte Fehler machen, um weiter zu kommen. Es gibt keinen Masterplan beim Gründen. Ich kann anderen Gründern empfehlen, sich ordentlich mit Verträgen und den Menschen, mit denen man startet, auseinander zu setzen. Wer als Team startet, sollte zum Beispiel prüfen, ob alle die gleichen Werte und Ziele verfolgen. Man sollte sich Fehler erlauben, aber auch lernen, offen darüber zu sprechen und sich gegebenenfalls Hilfe von außen holen.
Wie viel bedeutet es Dir, Dein eigener Chef zu sein? Könntest Du Dir auch etwas anderes vorstellen?
Ich war mit Ausbildung und späteren Jobs über zwölf Jahre immer wieder in einem Angestelltenverhältnis. Angestellt zu sein suggeriert erst einmal Sicherheit und ist natürlich von Vorteil, weil man ein regelmäßiges Einkommen erhält. Während meines Studiums und danach hatte ich immer wieder freie Jobs als Fotografin bzw. Grafikdesignerin und habe so mit der Zeit gelernt, selbstständig zu arbeiten und selbstbestimmtes Geld zu verdienen. Bei MARI&ANNE fühle ich mich nicht als Chefin. Natürlich bin ich es auf dem Blatt. Im großen Ganzen sehe ich mich aber als Teil eines tollen Teams, das nur gemeinsam etwas voranbringen kann.
Ob ich mir etwas anderes vorstellen könnte? MARI&ANNE fordert mich aktuell noch auf allen Ebenen. Dadurch dass wir alles selbst finanzieren, bin ich auch noch in alle Bereiche involviert. Von Office über Produktion, Shop bis hin zum Marketing. Mein Wunsch ist es, MARI&ANNE aufzubauen und nach und nach, soweit es finanziell möglich ist, anderen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihren Platz bei uns zu finden. Langfristig möchte ich wieder Storytelling und Markenaufbau arbeiten, am liebsten durch meine Fotografie, die aktuell leider etwas zu kurz kommt.
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